Pro Romania e.V.
Rundbrief im November 2006

 

Autor: Werner Becker

Liebe Freunde,

am 09.11.06 war in der Saarbrücker Zeitung ein Artikel zu lesen mit der Schlagzeile:

Rechtsextremismus immer weiter verbreitet

Die Studie gibt an, dass Rechtsextremismus in der „Mitte unserer Gesellschaft" verwurzelt ist.

Ausländerfeindlichkeit ist die am weitesten verbreitete rechtsextreme Einstellung. 26,7% der Befragten aus allen Schichten unserer Gesellschaft stimmen entsprechenden Thesen zu. Hinzu kommt, dass 15% überzeugt sind, dass die Deutschen anderen Völkern „von Natur aus überlegen" sind und der These, es gebe „wertvolles und unwertes" Leben zustimmen. Auch das in allen Gesellschaftsbereichen vorzufindende Klischee, „Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks" fand bei 15,8% der Westdeutschen volle Zustimmung.

Diese erschreckend hohe Zustimmung zu zutiefst menschenverachtenden Thesen und mit Vorurteilen beladenen Klischees ist alarmierend. 61 Jahre nach dem Zusammenbruch eines verbrecherischen Systems, in dem solche dekadenten und widernatürlichen Denkweisen von den Obrigen der Gesellschaft aufoktroyiert wurden und diese dann auch weitgehend von diesen perversen „Werten" durchdrungen war, ist es nach 57 jähriger demokratischer Tradition angesichts des Elends und der Hinterlassenschaften eben dieses verbrecherischen Systems geradezu unvorstellbar, solche Zahlen im Jahr 2006 zur Kenntnis nehmen zu müssen.

Hierzu darf ein Verein wie der unsrige nicht schweigen!

Nicht ohne Grund haben wir unser „Corporate Identity" entworfen, in dem wir versuchen zu verdeutlichen, dass wir uns als Verein Pro Romania e.V. von diesen repressiven Strömungen in unserem Land distanzieren.

Bei unseren zahlreichen Reisen nach Rumänien und den damit verbundenen Begegnungen mit den dortigen Menschen ist jedoch „Klischeedenken" manchmal auch bei unseren Mitfahrern zu beobachten. Wir arbeiten und begegnen den Menschen in Rumänien in einem Land, dessen Niveau und Lebensstandard noch weit hinter dem des reichen Westens zurück bleibt. Elend und Armut und auch zeitweise für uns „Reichen" das ungewohnte Verhalten der „Armen und Elenden", der „Hoffnungslosen und Perspektivlosen", für die jeder neue Tag die neue Sorge mit sich bringt, diesen –wenn auch menschenunwürdig, weil die Umstände eben so sind- aber doch gesund zu überstehen, lässt bei dem einen oder anderen von uns dann doch vielleicht ein gewisses „Wertigkeitsdenken" und „Überlegenheitsgefühl" wach werden, das dann letztendlich zu solchen Denkweisen, die in der Umfrage zu Tage treten, führt.

Hinzu kommt, dass die in den Städten Rumäniens krass ins Auge springenden Extremunterschiede im gesellschaftlichen Status bei manchen Mitfahrern vielleicht ein mangelndes Solidaritätsverhalten der rumänischen Menschen untereinander unterstellen. Dies birgt möglicherweise bei dem „Unerfahrenen" aus dem reichen Westen, in dem diese Extremunterschiede nicht in dem Maße vorhanden sind, die Gefahr falscher Rückschlüsse und Urteile in sich, die bei sachlicher Analyse der gesellschaftlichen Situation in Rumänien natürlich keineswegs gerechtfertigt sind.

Ich sehe eine erhebliche Gefahr darin, dass solche Begegnungen mit den oben beschriebenen Situationen beim unvorbereiteten Rumänienreisenden affektiv zu der gegenteiligen Einstellung dessen führen können, was Pro Romania in seinem „Corporate Identity" zu Papier gebracht hat. Daher erscheint es mir von äußerster Wichtigkeit, dass neben der Gesinnung, wie im CI beschrieben, bei jedem, der eine Reise mit Pro Romania plant, auch die Vorbereitung, wie unter Punkt II genannt, einen erheblich größeren Stellenwert einnehmen muss, als dies teilweise in der Vergangenheit der Fall war, und dies gerade im Hinblick auf den „Wandel der Prioritäten" im Verein Pro Romania.

Wir laufen sonst Gefahr, unseren Ansprüchen nicht gerecht zu werden und möglicherweise kontraproduktive Ergebnisse zu erzielen. Erfahrungen aus der Vergangenheit bestätigen diese Befürchtungen, und angesichts der eingangs zitierten beängstigenden Studie, dürfte dies auch nicht verwundern, wenn die Studie repräsentativen Charakter besitzt.

Keno Verseck spricht in seinem Buch „Rumänien" vom „Schrecken des Klischees".

Bemühen wir uns, diesen Schrecken zu erkennen und die Klischees als solche zu entlarven.

Dies erfordert kognitive Fähigkeiten, die ganz sicher in der geistigen und weniger in der gefühlsmäßigen Auseinandersetzung mit den Themen, die wir da nennen: „Völkerverständigung", „Toleranz" und „Solidarität" erworben werden können.

Im CI steht: „Pro Romania versteht sich als ein Verein mit hohem Anspruch".

Strengen wir uns an und zeigen wir Flagge!

Wenn nicht ein Verein wie der unsrige – wer dann???

Euer Werner


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