Pro Romania e.V.
Rundbrief im Januar 2018

„Ce face, Werner? - Bun venit in Alios!"

Autor: Werner Becker

Ich gehe an einem trüben Wintertag durch die neu geteerten Straßen von Alios, trockenen Fußes, nicht wie früher durch Matsch und Unrat, knöcheltief. Spiegelglatt sind sie nun, die Straßen von Alios.
Die Kinder können Rollschuh fahren in den Seitenstraßen, wo der Verkehr (noch) nicht lebensbedrohlich für die Fußgänger ist, so wie auf der Hauptstraße nach Timisoara, wo immer noch die „dicken“ Autos das alleinige Vorrecht über alles andere, was ihnen in den Weg kommt, beanspruchen und mit gnadenloser Rücksichtslosigkeit alles aus dem Weg scheuchen, was ihnen in die Quere kommt, Mensch oder Tier, vollkommen gleich. „Wir sind hier die Herren und die Stärkeren“ und das gnadenlose „darwinsche Prinzip“, dass das Recht des Stärkeren sich anscheinend immer durchsetzt, kommt überdeutlich penetrant zum Vorschein.
Einsicht, Rücksichtnahme – Fehlanzeige!
Erst muss es krachen und „Menschenopfer“ müssen gebracht werden, bevor ein Umdenken erfolgen kann, so, wie es auch in anderen Bereichen leider immer wieder zu beobachten ist. Das Ego, die Selbstherrlichkeit sind nun mal in uns Menschen stärker ausgeprägt, als die Rücksichtnahme, die soziale Kompetenz, die Solidarität mit den Schwächeren.
Das müssen wir lernen durch Sozialisation, Hinschauen, Einsichtigkeit.

Es gibt Wasserleitungen!
Wer Geld hat, hat seinen Hausanschluss schon gemacht.
Europa ist auf dem Vormarsch, jetzt sieht mans auch auf den Dörfern auf dem Land. Und neue Fenster in vielen öffentlichen Gebäuden, deren Fassaden und Innenräume vollkommen verwüstet sind und seit Jahren dem Verfall preisgegeben! Aber neue Fenster, die nicht beigeputzt sind und deren Verglasungen schon wieder teilweise zersplittert sind, so dass Sturm und Regen ungehindert eindringen können und ihr zerstörerisches Werk langsam aber sicher vollenden.
Das Geld kommt von der EU – woher denn sonst!
Aber wer bestimmt, ob es sinnvoll verwendet wird?
Der Besucher und aufmerksame Beobachter rollt erstaunt und verwundert die Augen angesichts solcher Unfassbarkeiten, und die Menschen vor Ort, was tun sie?? Sie sagen schon lange nichts mehr dazu, wenn man sie anspricht und auf die sinnlosen Geldverschwendungsorgien aufmerksam macht- Kopfschüttelnd stellen sie fest: „Was soll mer mache?“
Und was sollen sie auch tun angesichts der Ohnmacht gegenüber Behördenschimmel, Bürokratendschungel und Kontrollversagen der EU-Behörden aus Brüssel? Und dann auch noch Vorschriften und Bevormundungsrituale aus dem reichen Westen und Einforderung von Solidarität! „Die haben gut reden – und wir, wir müssen jetzt auch noch unsere Medikamente selbst bezahlen!“

Dieser Weg wird kein leichter sein,
dieser Weg wird steinig und schwer.
Nicht mit Vielen wirst du einig sein,
doch dieses Leben bietet so viel mehr...

Es bietet mehr!
Ich gehe durch die Straßen von Alios, wie gesagt, trockenen Fußes und nicht mehr verdreckt von unten bis oben. Ich treffe viele, die ich kenne, wenige, die ich nicht kenne.

„Ce face Eveline, Jutta, unde este Christiane, Helma si Annemarie? Salut pentru Joachim, Dirk, Udo, Hans...“

So schallt es mir entgegen, einhergehend mit herzlichen Umarmungen und innigen Küssen, nicht nur auf die Wangen, sondern von mancher und manchem ganz feste auf den Mund. Sowas passiert mir nur in Alios; in Dorf hat mich noch niemand auf der Straße geküsst, und schon gar nicht auf den Mund!

„Vine aici – un cafea, un beere, un tuica“

Ich kehre ein, in viele Häuser. Schnell wird ein wenig gekehrt, gewischt, die Bettcouch glatt gezogen und dann, dann wird geplaudert!
Ich verstehe fast nichts und doch alles, und es wird warm in der Stube, von innen, vom Herzen her.

Da sind sie, die Momente, die mich tief berühren und die mich nachdenken lassen über 25 Jahre Freundschaft und Partnerschaft und mir bewusst machen, welche menschlichen Werte und Empfindungen eine solche mobilisieren können.

Im Wartezimmer bei der Doktorin (ich musste dahin, denn ich brauchte eine Salbe) fließen Tränen bei den Omas und Opas, die auf ihren Termin bei der Ärztin warten, denn sie befürchten, ich sei ernsthaft erkrankt. Rodica Cornea erklärt, und Erleichterung verbunden mit Umarmungen machen sich breit, und natürlich bekomme ich den Vortritt, denn sie hätten ja Zeit und könnten schon warten und vielleicht kämen sie später auch noch ins Alcarzentrum zum Stöbern, denn Alina und Rodica hätten immer so viel Geduld mit ihnen.

Da sind sie, die Momente!

Nach über 10 jähriger Abstinenz überrasche ich den ehemaligen Popen Daniel Vasi mit einem Besuch in seinem Haus in Cesint. Er ist vollkommen überrascht, bittet uns höflich herein und spricht von „Europa im Kleinen“, was wir gebaut haben und immer noch bauen. „Wichtig sind nicht die Personen, sie wechseln, wichtig ist die Idee, sie bleibt“.
Sprachlos bin ich, nicht ganz, denn ich sage, dass natürlich auch die Personen wichtig sind, und er stimmt etwas „verschmitzt“ zu. Verständigung ganz schnell bei denen, die verstehen wollen.

Ich treffe den Adi Ardelean bei Brutus. Er kam in den Genuss unseres Ausbildungsfonds und wollte mich extra besuchen. Zusammen mit Andrada und Freund Andrei diskutieren wir über Pro Romania und Alcar, über Solidarität und Völkerverständigung. „Wir können nicht immer nur nehmen, wir müssen auch mal was zurück geben“, sagt Adi. Die drei wissen, dass Solidarität ein Grundpfeiler des menschlichen Zusammenlebens ist, zwischenmenschlich und auch europäisch gesehen.

Da sind sie, die Momente!

Bei Nellu und Maria treffe ich mit Raj und Roxi zusammen.
„Whatt we can do together to broaden one`s mind by the kids from Alios? Apard from school!“ Er fragt mich als Vorsitzender von Pro Romania! Er spricht von Beschäftigungsangeboten für die Kinder in Alios, von Sportvereinen, Kulturangeboten etc.
„I will come with a concrete proposal“, sagt er. Ich bin erst mal platt. Roxy und Raj wohnen in Timisoara und denken über Projekte für die Kinder in Alios nach. Ich bin gespannt und warte. Er fragt uns!

Da sind sie, die Momente.

Der Caius kommt extra aus Timisoara an Silvester, um zu schauen, wie es mir geht. Er feiert mit uns. Lore hat Baby (Sven heißt er), kann nicht kommen, wünscht aber alles Gute.

Ich reise in die Maramures und denke viel nach, auch über unsere direkten Ansprechpartner Rodica, Calin und Marius. Sie sind ehrlich und zuverlässig, verlässliche Makler unserer Ideen und Werte und treue Verwalter unseres Alcarzentrums. Ohne sie würde es nicht gehen!

Ich reise nach Hause, und es wird mir ganz deutlich bewusst: Ohne uns geht es auch nicht!

Euer Werner


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